Manchmal werde ich gefragt, wie man Nähe in Geschäftskorrespondenz ausdrücken könne. Meine Antwort: „Schreiben Sie verständlich, in der vertrauten Sprache des Alltags. Denn Vertrautheit ist Nähe“.
Linguisten nennen es „reden in Metaphern“: Wir übertragen Merkmale einer direkt erfahrbaren Idee auf andere, meist abstrakte Ideen. Beispielsweise werden „Beziehungen“ oft metaphorisch als „Gefährt“ begriffen. Wir sagen: „Eine Beziehung steckt in der Sackgasse“ und assoziieren somit ein Auto. Die Linguisten erklären dazu: Ein Gefährt ist etwas, mit dem man sich vorwärtsbewegt. Man kann also gemeinsame Lebensziele haben und sich mit dem Vehikel „Beziehung“ darauf zu bewegen.
„Nähe zum Kunden trotz räumlicher Distanz? Sprache macht’s möglich.“
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Räumliche Nähe ist keine Voraussetzung für Vertrautheit
Das Thema „Nähe“ setzt auf das Thema „Beziehung“ auf. Ein Gefährt – Auto, Zug, Boot, Flugzeug etc. – ist ein „Behälter, in dem man eng nebeneinander sitzt, sich physisch nahe ist“. Und Beziehungen sind solche „Behälter“: Wir leben „in“ einer Beziehung. Wir gehen „aus einer Beziehung heraus“. Aus den sprachlichen Beobachtungen folgt, dass „Nähe“ eine Metapher für „Vertrautheit“ ist: Ich fühle mich ihm „nahe“. Wir haben uns voneinander „entfernt“. Seine Idee ist „weit weg“ von meiner Vorstellung.
Biologisch ist das so zu erklären, dass uns als Kind diejenigen Menschen, die uns vertraut sind, körperlich nah sind. Unsere Eltern halten uns in den Armen. Wir wohnen in einem Haus zusammen. In unserem Gehirn verbinden sich also die Ideen von Vertrautheit und von körperlicher Nähe. Ist also Nähe immer räumliche Nähe? Nein. Als Kindheitserlebnis zunächst schon, aber dann entwickeln wir uns weiter. Wir erleben Neues und auch das wird uns vertraut. So kann uns beispielsweise ein Urlaubsort oder eine zunächst fremde Idee vertraut werden. Wir fühlen uns auch Menschen, die ähnliche Ideen wie wir selbst haben, nahe und vertraut.
Sprache schafft Nähe
Botschaften kann man explizit und implizit verbreiten. Auf einer Website oder im Kundenmagazin ist ein Artikel über eine regionale Aktion genau richtig platziert. In geschäftlicher Korrespondenz geht es jedoch um die Abwicklung von Prozessen. In Briefen und E-Mails muss nicht dauernd das Wort „Nähe“ oder „Region“ vorkommen. Sie wirken indirekt: Hochsprache vermittelt Distanz. Klare Alltagssprache vermittelt Nähe. Es beginnt schon bei der Anrede: Sehr geehrter Herr, Hallo, Lieber, Grüß Gott, Moin Moin. Was passt? Seien Sie behutsam. Sie können einem Kunden auch zu nahe kommen. Ist die Ansprache mit „Lieber“ beispielsweise angemessen? Sicherlich dann, wenn Sie den Kunden auch persönlich so anreden würden, weil sie ihn kennen. Sonst eher nicht.
„Setzen Sie auf Alltagssprache statt Hochsprache. Das schafft Nähe zum Kunden.“
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Sprechen Sie die gleiche Sprache
Und wie steht es mit Dialekt? Ja, Dialekt kann Nähe ausdrücken. Viele Menschen reagieren positiv auf sprachliche Einfärbung – wenn sie ihnen vertraut ist. Aber nur dann. Die allgemeine Mobilität der Gesellschaft hat dazu geführt, dass nicht alle Menschen einer Region auch in gleicher Art und Weise sprechen – auch nicht auf dem Land. Die Anrede mit „Grüß Gott“ oder „Moin Moin“ wird also vielleicht noch verstanden, aber im Text sollten Sie keine weiteren aus dem Dialekt stammende Wörter verwenden. Diese sind nämlich nicht vertraut.
Solange Sie Kundengruppen nicht gezielt unterschiedlich ansprechen (Marktforschung!), solange heißt „Nähe“ für die meisten Kunden schlicht: In der Sprache reden und schreiben, die sie verstehen. Und dazu Inhalte, die so aufbereitet sind, dass es um den Kundennutzen und nicht den unternehmenszentrierten Prozess geht.