Im Umgang mit ihren persönlichen Daten neigen viele Bürger zu Extremen: Entweder sie pflegen einen unbekümmerten Exhibitionismus oder eine ausgeprägte Paranoia. Beides ist zwar irgendwie verständlich, aber leider hemmungslos dysfunktional.
Deutlich zeigt sich das an der Einführung der Smart Meter. Die stockt seit geraumer Zeit. Obwohl der Rollout angeblich die grundlegende Vorrausetzung für die weitere Energiewende hier zu Lande ist und diese fast durchgehend begrüßt wird. Grund für die Unterbrechung sind Bedenken beim Datenschutz. Helfen würde dabei etwas mehr Realismus.
So sorglos wie verschüchtert
Verständlich ist, dass viele vor allem das Soziale an den Social Media schätzen: Endlich jemand, der einem zuhört, tendenziell sogar die ganze Welt. Glatt könnte man meinen, vor Facebook, Twitter, WhatsApp & Co. habe nur Schweigen geherrscht, so heftig wird geliked und gepostet. Für viele ist das digitale Netzwerk der wichtigste Draht, Kontakt mit Freunden, Bekannten und Verwandten zu halten und ihr soziales Leben zu organisieren.
„Aktuell zahlen viele User ihre eigene Bequemlichkeit mit Daten. Das ist nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern die logische Folge dessen, dass Daten die neue Währung der freien Marktwirtschaft sind.“
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Bequemlichkeit kostet Daten
Nachvollziehbar ist auch das Gegenteil: Dass sich einige in Sachen Daten lieber verschlossen halten wie eine Auster. Schließlich gibt es auch in der digitalen Welt nichts umsonst: Die User zahlen Bequemlichkeiten mit ihren persönlichen Daten. Diese werden von denen gesammelt und genutzt, die schon in der analogen Welt daran interessiert sind. Deswegen passen Werbebanner nicht zufällig zu vorherigen Suchanfragen und im Wohnzimmer wartet Alexa. Dass und wie Big Data, Profilbildung und Re-Targeting auch auf die politische Meinungsbildung wirken, lässt sich zudem am jüngsten Facebook-Vorfall studieren.
Es kommt drauf an!
Nein, das alles ist nicht schön. Schlimmer noch, es steht auch der weiteren Digitalisierung im Weg, wenn das Netz samt Social Media zu einer Schwatzbude verkommt oder zu einem reinen Vertriebskanal oder einem Kontroll- und Manipulationsinstrument wird, von dem man sich besser fernhält. Dann entfällt nämlich auch der Nutzen, den die Allgemeinheit aus der Digitalisierung ziehen könnte. Schon klar, in einer idealen Welt sollte es beides geben – einen hohen Schutz persönlicher Daten und gleichzeitig ein passgenau auf jeden einzelnen Nutzer zugeschnittenes Angebot!
Der Algorithmus, bei dem man mit muss
Diese Welt gibt es aber nicht, sondern nur eine, die zunehmend digitaler wird. Deswegen hat man auch keine Wahl: Um in dieser Welt zu existieren, muss man Daten liefern. Fragt sich nur: Welche und wie viele? Der User sollte sich vor jeder Dateneingabe mindestens zwei Fragen stellen: Wer will welche Daten wofür? Und was habe ich davon, wenn ich sie preisgebe? Ergibt sich unterm Strich ein überzeugender Nutzen, für den die Datenübersendung unvermeidlich ist, dann liefere ich das Notwendige. Und nicht gleich die gesamte digitale Identität samt Profil, Fotos, Freunde, Inhalte, Standort und so weiter. Einstellmöglichkeiten dafür gibt es normalerweise immer – auch beim aktuell gern gebashten Facebook -, man muss bloß die eigene Bequemlichkeit überwinden und sich mal zehn Minuten damit beschäftigen. Insofern hat man also doch eine Wahl. Und zur Not – die Älteren wissen es – existiert auch noch ein analoges Netzwerk, mit dem sich ein soziales Leben einrichten lässt.
Fallbeispiel Energiewende
Es kommt also auf den Nutzen der Digitalisierung an. Und der ist bei der Energiewende offensichtlich: Für den Klimaschutz, die weitere Umstellung auf Erneuerbare und überhaupt für einen noch sparsameren und effizienteren Umgang mit Energie, ist die Flexibilisierung der Stromnetze und die Einbindung dezentraler Energieerzeugung unerlässlich. Für Smart Grids wie für Smart Cities braucht es persönliche Daten, mit denen die Netzbetreiber das Verbrauchsverhalten in Echtzeit auslesen und analysieren können und den Strom anhand der Daten effizienter steuern. Stromdaten und Datenstrom hängen eng zusammen.
„Nur wenn es gelingt, beim Nutzen von Daten den Vorteil des Einzelnen und den Gewinn für die Gesellschaft klar zu machen, werden die #Digitalisierung und die #Energiewende erfolgreich!“
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Trotz dieses Nutzens, den sie anerkennen, lehnen viele Stromkunden die Auswertung ihrer Verbrauchsdaten aus Sorge um den Datenschutz ab. Bestärkt werden sie dabei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das bislang noch keinem Gerätehersteller die Zertifizierung für die Datenschnittstelle, den Smart Meter Gateway, erteilt hat.
Wie nützlich ist die Datennutzung?
Was man jetzt schon voraussagen kann: Das Spannungsverhältnis zwischen Daten fordernden gesellschaftlich sinnvollen Vorhaben (Gesundheit, Energie, Bildung) und ihre Daten hütenden Bürgern wird größer. Was tun? Ein staatliches (kommunales?) Anrecht auf Daten einrichten, die zur Erreichung bestimmter Ziele notwendig sind? Die Freigabe den Bürgern überlassen und riskieren, dass wichtige Ziele dann nicht erreicht werden können?
Eines ist immer richtig: Überzeugungsarbeit leisten, die die Vorteile des Einzelnen und den gesellschaftlichen Nutzen in Einklang bringt. Nur wenn beides gegeben ist, wird die Digitalisierung ein Erfolg!
„Local Identity wird wichtiger als Corporate Identity“, so lautet das Credo von Frank Trurnit, Geschäftsführer der trurnit Gruppe. Seit 1987 leitet er das Unternehmen, das heute für kunden- und themenzentrierte Kommunikation steht. Seine Schwerpunkte: Nachhaltigkeit, Smart City, Mobilität, Digitalisierung, Change.