„Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“ Vielleicht kennen Sie es, das Zitat des Wort-Künstlers Karl Valentin. Er treibt es mit den Umschreibungswörtern (Modalverben im Fachbegriff) „hätte“, „wollen“, „mögen“ und „dürfen“ wirklich auf die Spitze.
Aber geht es uns nicht auch manchmal so? Fragen wir im Bus nicht auch oft abschwächend: „Würden Sie mich bitte vorbeilassen?“ Von der Sprechstundenhilfe so manches Mal gehört: „Sie dürfen dann noch im Wartezimmer Platz nehmen.“ Und am Telefon sagt uns die Dame, die uns weiterhelfen soll: „Da könnte ich höchstens mal meinen Kollegen fragen.“
Können Sie das nur tun oder tun Sie es auch?
Abschwächungen und Umschreibungen, wohin man auch hört. Das ist höflich, spiegelt aber auch eine Unbestimmtheit vor, die gar nicht gegeben ist. Warum sagen wir nicht einfach „Bitte lassen Sie mich vorbei“, „Gehen Sie bitte erst einmal noch ins Wartezimmer“ oder „Ich mache mich bei meinem Kollegen schlau und melde mich dann wieder bei Ihnen“? In Geschäftsbriefen und geschäftlichen E-Mails gilt: Vermeiden Sie Höflichkeitsumschreibungen oder Konjunktive, wo klare Worte wichtig sind.
„Zur Sache, bitte: In der geschäftlichen Korrespondenz sind klare und eindeutige Aussagen angebracht.“
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Erlauben ist von oben herab
Zum Beispiel: „Bei Fragen dürfen Sie sich gerne an Frau Maria Mustermann wenden.“ Wahrscheinlich wollte der Autor sich besonders gewählt und höflich ausdrücken. In Wahrheit hat er dem Leser mit dem Wörtchen „dürfen“ die Erlaubnis erteilt, Kontakt mit der Kollegin aufzunehmen. Nur: Wollen Sie, als service- und kundenorientiertes Unternehmen, Ihren Kunden die Kontaktaufnahme wirklich erlauben oder nicht vielmehr anbieten? „Wenden Sie sich einfach an Frau Maria Mustermann, wenn Sie Fragen haben. Sie ist gerne für Sie da.“
Deplatzierte Höflichkeit
In manchen Fällen schwächen Höflichkeitsformen die eigene Position und verunsichern zugleich den Leser, wie diese E-Mail an einen möglichen Marketingpartner zeigt: „In einem weiteren Schritt würden wir dann Ihr Angebot prüfen und Ihnen ein so genanntes Formblatt zukommen lassen, auf dem wir einige Informationen zu Ihnen abfragen.“ Was soll ein potenzieller Geschäftspartner von uns halten, wenn wir selbst unsicher und wenig überzeugt von der eigenen Vorgehensweise sind?
Klarer und viel angenehmer klingt da: „Schicken Sie uns einfach Ihr Angebot zu. Wenn es zu unserem Programm passt, erhalten Sie unseren Informationsbogen. Füllen Sie ihn bitte aus und schicken ihn an uns zurück. Vielen Dank. Alles Weitere klären wir dann mit Ihnen.“
Was muss das muss
In einem anderen Fall versucht ein Autor die Schärfe aus einer Vorschrift zu nehmen, indem er das Wort „müssen“ in den Konjunktiv „müssten“ setzt: „Beides – Widerspruch wie Kündigung – müssten Sie in Textform erledigen.“ So formuliert klingt es fast wie eine Entschuldigung, die den Leser eher irritiert. „Muss ich oder steht es mir frei, Widerspruch und Kündigung schriftlich zu formulieren?“, wird er sich fragen. Schaffen Sie deswegen Klarheit mit einfachen Verben und ohne Umschreibungen: „Wichtig für Sie: Gültig sind Widerspruch und Kündigung dann, wenn Sie sie schriftlich bei uns einreichen.“
Merke
Formulieren Sie in der Geschäftskorrespondenz klare und eindeutige Aussagen, richten Sie höfliche und direkte Bitten an den Kunden und sagen Sie ohne Umschweife, was Sache ist. Ihr Leser wird es Ihnen danken.
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