Geschäftsbriefe und -E-Mails sind oft in einem komplexen Schreibstil verfasst. Wir schreiben zu förmlich, obwohl wir doch wissen, dass unsere Leser meist nur flüchtig lesen. Schnell aufnehmen und verstehen können wir jedoch einfache Sätze mit den Grundbausteinen „Wer macht etwas“ und „Was tut er“: „Gerne erstellen wir ein Angebot für Sie.“
Unser Hirn will es wissen
Was über diese einfache Grundkonstruktion hinausgeht, verlangt von uns mehr Aufmerksamkeit und eine Art Entschlüsselungsfähigkeit. Automatisch versucht unser Gehirn, komplizierte Konstruktionen oder abstrakte Begriffe in Grundbausteine zurückzuübersetzen. Beispiel:
„Im Zuge der Baumaßnahme bieten wir Ihnen Teilnetzanschlüsse an, deren Teilberechnung bei der Schlussrechnung über die ins Haus fertiggestellten Netzanschlüsse in Abzug gebracht wird.“
Verstehen können wir diesen Satz auf Anhieb nicht. Also versucht unser Gehirn zu entschlüsseln, Kernaussagen aus einfachen Grundbausteinen zu bilden:
- Im Zuge der Baumaßnahmen bieten wir Ihnen Teilnetzanschlüsse an – Kernaussage: Wir bieten Ihnen Teilnetzanschlüsse an.
- deren Teilberechnung bei der Schlussrechnung über die ins Haus fertiggestellten Netzanschlüsse – Kernaussage: Die Teilnetzanschlüsse berechnen wir sofort. Später gibt es eine Schlussrechnung, und zwar zu den Hausanschlüssen.
- in Abzug gebraucht wird – Bei der Schlussrechnung werden die Kosten für den Teilnetzanschluss nicht noch einmal berechnet.
Entschlüsseln ist mühsam
Sie sehen, entschlüsseln bedeutet viel Arbeit. Manche Leser können diese Arbeit nicht aufwenden. Denn ihnen fehlt das sprachliche und fachliche Know-how. Andere wollen diese Arbeit nicht aufwenden. Ihnen fehlen die Zeit und die Lust dazu. In beiden Fällen fühlen sich Ihre Leser schlecht informiert.
Unnötige Eskalationen
Womöglich fragen sie nach. Die Zeit, die Sie für Ihren Geschäftsbrief aufgewandt haben, war dann umsonst. Denn Sie müssen nun alles noch einmal mündlich erklären. Oder aber – und das ist schlimmer – die Kunden fragen nicht nach. In diesen Fällen entstehen Missverständnisse. Und die führen zu Verzögerungen, Beschwerden und schlimmstenfalls zu Rechtsstreitigkeiten.
Merke
Schreiben Sie einfach und klar: „Gerne schließen wir Ihr Haus an unser Stromnetz an. Sobald wir den Teilnetzanschluss fertiggestellt haben, erhalten Sie eine erste Rechnung. Die spätere Schlussrechnung bezieht sich dann nur noch auf die weiteren Arbeiten zwischen Ihrem Haus und unserem Netz.“ Der Leser versteht so, was Sie sagen wollen, und wird es Ihnen danken.
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