Im Rahmen unser Beratungsprojekte rund um Strategie und Marke erhalten wir Einblicke in viele unterschiedliche Marktforschungen von Energieversorgern aus ganz Deutschland. Neben konkreten regionalen Unterschieden ist ein Phänomen – wenig überraschend – überall gleich: Die sehr hohe Markenbekanntheit und ein damit verbundenes hohes Vertrauen der Bürger in die Leistungen der Stadtwerke für die Region und für die Energiewende!
Eine Marke ist dann stark, wenn auch die Markenenergie stimmt
Die „Stadtwerke“ sind also bekannt. Doch stimmt auch, dass manche Bürger*innen im Detail gar nicht wissen, was die Stadtwerke bei ihnen vor Ort direkt tun. Reichen also Bekanntheit und Reichweite?
Wofür steht eine Marke? Was ist ihr Profil? Welche Inhalte transportiert sie? Dieser zweite Aspekt der Stärke einer Marke findet oft zu wenig Beachtung. Diese Markenkomponente nennt man Markenenergie. Und es lohnt sich darüber etwas genauer nachzudenken. Denn erst durch den zugeschriebenen Inhalt wird eine Marke wirklich stark.
Vertrautheit ist wichtig, Vertrauen entscheidend
Wofür ist Ihr Unternehmen bekannt und den Menschen vertraut? Sind Sie als Ver- und Entsorger positioniert, der seine Tätigkeiten mit hoher Kompetenz und Zuverlässigkeit ausführt? Sind Sie zufrieden, wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten können? Natürlich ist das ein gutes Ergebnis und eine Aussage über ihre Markenenergie ist es auch, doch das reicht nicht. Es fehlt die Ausrichtung auf die Zukunft. Was trauen Ihnen Ihre Kund*innen zu? Sehen sie Sie als Partner für die Gestaltung einer lebenswerten und sicheren Energiezukunft?
Telekom macht die Marke fit für die Zukunft
Nehmen Sie das Beispiel Telekom. Der Konzern passt 2022 seinen Markenauftritt an seine Strategie „Leading Digital Telco“ an. „Leading Digital Telco“ steht für die Teilhabe am digitalen Leben, nachhaltiges Handeln und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das ist sehr viel mehr als „ruf doch mal an“ kombiniert mit Glasfaserausbau. Im Rahmen der internationalen Markenpositionierung fokussiert die Telekom auf neue Inhalte und will weltweit ein neues, einheitliches Markenerlebnis schaffen. „Ein Purpose, eine Markenarchitektur, ein Logo, ein Claim und ein Brand Design – mit unserer globalen Markenstrategie wollen wir die Entwicklung zur Leading Digital Telco für alle Menschen erlebbar machen.“
Hier finden Sie mehr zur Markenphilosophie der Telekom.
„Wofür steht die Marke? Welche Inhalte transportiert sie? Dieser Aspekt der Stärke einer Marke, die Markenenergie, findet oft zu wenig Beachtung. Dabei lohnt es sich für EVU, darüber genauer nachzudenken.“
Gedankenexperiment: „Digital Daseinsversorger“ statt „Digital Telco“ …
Würde Ihre Marke in ihrer aktuellen Positionierung diese strategische Unternehmensentwicklung erlauben? Verstehen Sie mich richtig: Mir ist schon klar, dass Ihr Unternehmen jetzt kein „digitaler Daseinsversorger“ ist. Die Frage ist: Könnten Sie es werden?
Der Anspruch an einen digitalen Daseinsversorger ist hoch. Doch wird jemand (ein Unternehmen, eine Organisation) diese Aufgabe übernehmen müssen. Denn nach und nach setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Menschen vor allem lokale Dienstleistungen digital (und damit auch namentlich) nutzen wollen. Sie wollen den ÖPNV nutzen UND die lokale E-Mob-Ladesäule. Sie wollen von städtischen Dienstleistungen profitieren UND ihre Solaranlage digital steuern. Wer orchestriert dies?
Kommunen verfügen über ideale Voraussetzungen durch Zugang zu und Vertrauen von Bürger*innen. Schließlich gibt man seine Daten lieber der Kommune als der globalen Datenkrake. Doch werden Kommunen diesen Weg zur digitalen Bürger-ID nicht allein gehen können. Welche Rolle spielen dann die Stadtwerke?
Christoph Bornschein, Handelsblattautor und auf Digitale Business spezialisiert, sieht drei Rollen, bei denen Stadtwerke eine treibende Kraft sein könnten. Als Orchestrator, indem sie Anforderungen, Programme und Beschaffungen digitaler Lösungen koordinieren. Als Co-Creator, indem sie geeignete Lösungen mit weiteren Kreator*innen mitgestalten. Und als (Co-)Investor in Startups, die geeignete Lösungen entwickeln.
Die Energiewende wird notwendigerweise schneller kommen als wir dachten. Dass sie dezentral, lokal, kommunal und digital sein wird, wissen wir längst. Versorgungssicherheit findet lokal statt. Das allein stellt Stadtwerke vor riesige Aufgaben. Sehen Sie sich dann zusätzlich in der übergreifenden Rolle des digitalen Daseinsversorgers?
Unsere Fragen an die Markenstrategie
Würden Ihnen die Kund*innen das Versprechen der digitalen Daseinsversorgung abnehmen? Würden sie Ihnen vertrauen? Ihnen glauben, dass Sie digitalen Nutzen bieten und mit ihren Daten gut umgehen? Dass Sie für die nötige Cybersicherheit stehen, so wie Sie Jahrzehnte für Versorgungssicherheit standen? Oder klaffen Wunsch (der Geschäftsführung) und Realität (der Kundenerlebnisse) zu weit auseinander?
Wenn die Lücke hier aktuell zu groß ist, dann gilt es zu investieren. In die Marke und ihre Fähigkeiten. Und das ist weit mehr als ein neues Branddesign (aber auch das!). Die Markenverantwortlichen müssen den Spielraum der Marke erweitern, ohne ihren Kern zu beschädigen, wenn das Unternehmen in neue Leistungsfelder vordringen will.