Gleich zur Kernfrage: Braucht es im Energievertrieb überhaupt noch menschliche Arbeitskraft? Und wenn ja, wie lange? Analysiert man die einzelnen Arbeitsschritte und Prozesse dieser Disziplin, scheint es nämlich bald auch ohne Mitarbeiter zu gehen.
Wenn Investoren ihren Computern die Entscheidung über den Kauf und Verkauf von Aktien überlassen, dann sollte das bisschen Energieeinkauf und Bilanzkreismanagement doch auch mit einem vollautomatisierten System zu managen sein, oder?
„Der Wunsch nach persönlichem Kontakt ist die natürliche Grenze für die Automatisierung des Vertriebs“
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Der Automat läuft schon längst
An der Automation von Marketing- und Kommunikationsaufgaben wird ohnehin gerade heftig getüftelt, den Dialog werden Chatbots übernehmen. Die Kundengewinnung läuft bereits über Verivox & Co. oder unternehmenseigene Produkt-Landingpages. Die Rechnungstellung erfolgt per Abrechnungssystem, ihre Zählerstände geben die Kunden schon selbständig ein. Und wenn sie umziehen oder neue Bankverbindungen haben und dies im Kundenportal eintragen, wird alles Weitere automatisch verarbeitet. Das meiste ist also längst automatisiert. Wann übernimmt intelligente Software die restliche Arbeit im Vertrieb?
Ansprüche an den Kundenservice steigen
Vor diesem aktuellen Hintergrund nochmal zur Ausgangsfrage: Braucht es im Energievertrieb die Mitarbeiter, und wofür? Die Antwort: Ja, es braucht sie. Zumindest für den persönlichen Kontakt, wenn dieser noch gewünscht wird, und zwar von beiden Parteien – vom Kunden ebenso wie vom Energieanbieter. Dieser Kontakt muss dann allerdings extrem kundenorientiert sein, denn der Service durch Maschinen dürfte den Standard in punkto Betreuung und Beratung eher hoch ansetzen! Letzteres ist ein gegenläufiger oder – je nach Perspektive – begleitender Trend namens „Assistance“.
Menschliche Intelligenz designt den Automaten
Mitarbeiter bleiben zudem notwendig für die Konzeption der Systeme, also für die Entwicklung der Automation und für die Intelligenz, die sich dahinter verbirgt. Dabei wird nicht jedes Unternehmen das Rad neu erfinden, White-Label-Lösungen für einzelne Arbeitsschritte gibt es bereits jetzt. Offen ist nur noch die Frage, welches Unternehmen wann als erstes die bereits verfügbaren Puzzle-Teile zu einer standardisierten Gesamtlösung zusammensetzt und anbietet. Spannend daran ist auch, wie groß die Zielgruppe ist, die von einem „Energieautomaten“ ihren Strom beziehen will. Und dann dürfte es gar nicht lange dauern, bis auch die ersten Kunden reagieren und ihre Energie über Systeme und Künstliche Intelligenz (KI) einkaufen. Wegbereiter dafür sind Blockchain-Lösungen.
„Am Ende wird ein Mix aus weitgehender Automatisierung und menschlicher Innovation erfolgreich sein“
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Der Mix aus Automatisierung und Innovation macht’s!
In der allgemeinen Diskussion über Automatisierung, Digitalisierung und den Einsatz von KI gibt es zwei Fraktionen: Der eine Denkansatz ist eher skeptisch, siedelt das Ganze bei Science Fiction an und hält die fundmentale Bedeutung menschlichen Erfindungsgeistes dagegen. Gleichzeitig ist er realistisch genug, um zu wissen, dass man um die weitere Automatisierung gar nicht mehr herumkommt. Der zweite Ansatz geht davon aus, dass sich jeder Prozess, der vom Rechner unterstützt wird – und das ist heutzutage praktisch jeder – so weit formalisieren, zergliedern und erweitern lässt, dass sich daraus ein logischer vollautomatischer Ablauf konstruieren lässt. Er weiß aber auch um die Grenzen solcher Lösungen. Die Wahrheit dürfte auch hier in der Mitte liegen. In diesem Fall ist das ein produktiver Mix aus einer weitgehenden Automatisierung sowie Innovationen, die alle technischen Möglichkeiten nutzen und erweitern.